Hintergründe und Entstehungsgeschichte

Wie kam es zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus?

Sharpeville, Südafrika: Am Vormittag des 21. März 1960 fanden sich an verschiedenen Orten der kleinen Stadt 50 km südlich von Johannesburg zwischen 5.000 und 7.000 Menschen zusammen. Sie folgten einem Aufruf des Pan African Congress (PAC), der eine fünftägige gewaltfreie und friedliche Protestaktion angekündigt hatte.

Die Menschen demonstrierten gegen die Passgesetze des Apartheid-Regimes.

Diese regelten das »Aufenthaltsrecht« der schwarzen Südafrikaner*innen.

Die Anzahl der Schwarzen außerhalb der »homelands« sollte so auf ein Minimum beschränkt werden, ihre Arbeitskraft aber weiter zur Verfügung stehen. Die Demonstrierenden setzten sich in Richtung Polizeistation im Sharpeviller Zentrum in Bewegung. Die Polizei hielt die friedlich demonstrierende Menge mit niedrig fliegenden Flugzeugen und Tränengas in Schach. Um kurz nach 13 Uhr eskalierte dann schließlich die Situation: Angeblich als Reaktion auf Steinewerfer schoss die Polizei in die Menge. Die Menschen flohen in Panik, die Polizei schoss weiter. 69 Menschen wurden getötet, darunter acht Frauen und zehn Kinder. Viele – die Angaben variieren von 180 bis zu über 300 Personen – wurden verletzt, teilweise schwer.

Als Gedenktag an das Massaker von Sharpeville wurde sechs Jahre später, 1966, der 21. März von den Vereinten Nationen zum »Internationalen Tag zur Überwindung von rassistischer Diskriminierung« ausgerufen. 1979 wurde dieser Gedenktag durch die Einladung der Vereinten Nationen an ihre Mitgliedstaaten ergänzt, eine alljährliche Aktionswoche der Solidarität im Zusammenschluss von Rassimus Betroffener und Verbündeter zu organisieren.

Am 10. Dezember 1996, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, setzt Nelson Mandela in Sharpeville schließlich mit seiner Unterschrift die neue demokratische Verfassung Südafrikas in Kraft. Der 21. März wird in Südafrika als South African Human Rights Day, als »Südafrikanischer Tag der Menschenrechte« begangen.

Seit 1994 koordinierte der Interkulturelle Rat die Initiativen und Aktivitäten rund um den 21. März in Deutschland. Im Jahr 2008 wurde der Aktionszeitraum auf Grund der Vielzahl der Veranstaltungen und steigenden Beteiligung auf zwei Wochen ausgeweitet. Um diese wichtige Arbeit nachhaltig zu sichern, hat der Interkulturelle Rat im Jahr 2014 die gemeinnützige Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus gegründet. Seit Januar 2016 laufen die operativen Arbeiten des Projektes über die Stiftung für die Internationalen Wochen gegen Rassismus.

Was passiert gerade um uns herum?

Die Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien, aktuelle Studien und Untersuchungen (z.B. rassistische Diskriminierung beim Zugang zu Wohnraum), die Normalisierung von Gewalt gegen Geflüchtete und Hate Speech in den sozialen Medien sowie tägliche persönliche Erfahrungen zeigen, wie manifest rassistische Denkstrukturen sind, wie Rassismus in allen Bereichen der deutschen Gesellschaft wirkt und wie niedrig die Hemmschwelle ist, dass dieser auch zu Gewaltanwendung führt.

Daher gilt es umso mehr, die zugrunde liegenden Gesellschaftskonzepte und Mechanismen von Ein- und Ausgrenzung zu erkennen, sich mit (eigenen) Denk- und Handlungsmustern auseinanderzusetzen und sich gemeinsam auf einen rassismuskritischen Weg zu begeben, um die verinnerlichten Denkmuster und gesellschaftlich verfestigten Strukturen der Ungleichwertigkeit zu verändern.

Die Internationalen Wochen gegen Rassismus, ihre Kooperationspartner*innen und Akteur*innen können für diese schwierige – aber unumgängliche – Aufgabe, vielfältige Anregungen, Impulse und gegenseitige Unterstützung geben.

Auch zu den Aktionswochen heißt es: 100 % Menschenwürde – Zusammen gegen Rassismus.

Wer sind wir und was wollen wir in Lüneburg unternehmen?

Auf Initiative von Nurka Casanova haben 2015 auch in Lüneburg erstmals Menschen zusammengefunden, um Veranstaltungen zu den Internationalen Wochen gegen Rassismus 2016 vorzubereiten. Bei einem ersten öffentlichen Treffen wurden dort, auf Basis der gesellschaftlichen Erfahrungen, Ideen für die Vorgehensweise zur Planung der Aktionswochen gesammelt. Ein wesentlicher Grundgedanke war die verbindliche und kontinuierliche Zusammenarbeit einer offenen Planungsgruppe. Wir sind die 2016 daraus entstandene Planungsgruppe der „Lüneburger Wochen gegen Rassismus – Für eine offene Gesellschaft“.